Die Malerei in der Znaimer Rotunde und die Tapisserie von Bayeux
(ein semantischer Vergleich von fünf bestimmten Attributen)
VVM LIX, 2007
Als vor zehn Jahren einer der führenden mährischen Kunsthistoriker das erste Mal seine Entdeckung über die Hintergründe und somit auch über die Bedeutung der Malerei in der Znaimer Rotunde der Heiligen Katharina (ursprünglich der Heiligen Jungfrau Maria) veröffentlichte, geschah dies lediglich in einer regionalen Beitragssammlung, die der allgemeinen Aufmerksamkeit durchaus entgehen konnte.1 Heute, nach der Herausgabe einer umfangreichen Monographie desselben Autors2, in der er die veralteten Beiträge der Forschung inklusive des Schlüsselwerkes von Friedl zusammenfasste korrigierte und mit üppigem Vergleichsmaterial der christlichen Ikonographie im gesamteuropäischen Rahmen bedeutsam erweiterte, kann es wohl keine Zweifel mehr geben, dass die tschechische Historiographie nach 1949 bei der Interpretation und Beurteilung dieses Kunstdenkmals durch das einseitige Überschätzen der Bedeutung der eingeritzten Inschrift vor dem Diktat der modernen Mentalität kapitulierte und schwere Fehler ansammelte.3 Demgegenüber muss man sich darüber klar werden, dass in dem Versuch, ein ikonographisches Rätsel zu lösen, die Gefahr ungenügend belegten Spekulationen und in die Irre führenden Hyperinterpretationen steckt. Es handelt sich aber trotzdem um einen bewussten Erkennungsprozess, der mit den Begriffen der kognitiven Psychologie definiert werden kann, die die optisch-physiologische Wahrnehmung, die Informationsverarbeitung und das logische Denken betreffen.4
Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert, bis ein Kunsthistoriker (und gleichzeitig Archäologe), der primär prädestiniert ist, eine mittelalterliche, hochsakrale Malerei zu verstehen, diejenigen Irrtümer revidieren durfte, die die klassischen Historiker zu der unrühmlichen Zeit des diktatorischen Sozialismus aufgrund (so gut wie ausschließlich) der schriftlichen Quellen (außer der ominösen geritzten Inschrift noch hauptsächlich durch die Überschätzung der Chronik des Kosmas von Prag) zusammentragen hatten. Es ist an der Zeit, die neuen Entdeckungen zu akzeptieren und zu versuchen, weiter auf dem Weg zur besseren Verständnis der Znaimer Malerei zu gelangen – denn ihre Bedeutung liegt in der Intention der romanischen Zeit vor allem in ihr selbst verschlüsselt, in ihrer Komposition und Ikonographie.5
Heutzutage ist wohl klar, dass die letzte kunsthistorische Analyse der Malerei vor allem die korrekte geschichtliche Zeit festlegte, innerhalb der sie entstand und somit auch die Hauptgründe ihrer Entstehung nannte6 – oder eben umgekehrt, das Eine ist ohne das Andere undenkbar. Es ist erforderlich, die irreführenden Spekulationen von der Heirat des Fürsten Konrad von Znaim und über das Jahr 1134 zu vergessen, die keinerlei ikonographische Unterstützung in der Malerei selbst haben und ausschließlich aus der Überschätzung der besagten Inschrift stammen, der leider in der typischen Mentalität der Zeit nach 1949 auch namhafte Kunsthistoriker mitsamt des schon erwähnten Friedl verfielen.7
Die Znaimer Malerei:
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entstand im Jahre 1091 (eventuell spätestens 1092) als feierliche Lobpreisung eines einmaligen geschichtlichen Ereignisses, des Friedens Königs Vratislav mit seinem Bruder, dem Fürsten Konrad von Brünn, nach der dramatischen Belagerung der Brünner Burg,
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der obere Gürtel der neunzehn Fürsten (Zone IV) zeigt bzw. symbolisiert zehn Fürsten des Přemysliden-Geschlechts (alle mit dem Umhang eines Herrschers versehen), beginnend mit dem Heiligen Wenzel und endend mit den beiden Auftraggebern Vratislav und Konrad, und neun folgende (umhanglose) Figuren, die aus der Logik dieser geschichtlichen Situation den gerade lebenden jungen Prinzen des Přemysliden-Geschlechts entsprechen (müssen),
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der Grund der Entstehung war also nicht nur das, was geschehen ist, also die Vergangenheit, sondern ebenfalls eine bewusste Projektion der linearen (geschichtlichen) Zeit in die Zukunft, mit anderen Worten, die Znaimer Malerei hat auch einen deutlichen didaktischen (macht-politischen, pädagogisch-ethischen) Inhalt – die Absicht, die Reihenfolge der Nachfolger zu definieren und festzulegen.
Wenn dem so ist, ist es möglich, weitere logische Folgen dieser Fakten abzuleiten und gleichzeitig nötig, bei jeglicher Interpretation der Znaimer Malerei weiterhin bei den bekannten Fakten konsequent zu bleiben.
Zuerst bedeutet diese kunsthistorische Schlussfolgerung, dass zumindest in einem Teil der Malerei die Festhaltung der linear laufenden Zeit (‚Geschichte‘) erfolgt ist. Für die Zeitepoche des frühen Mittelalters mag es überraschen, weil es typischerweise als ein uraltes Paradigma der Agrargesellschaft die Periode der Wahrnehmung der Zeit als eine ewige Wiederholung zyklischer Abläufe war. Der zitierte Autor problematisiert zwar in seinem neuesten Werk die traditionelle Überzeugung der gesamten Forschung, dass die sog. ‚Genealogie der Přemysliden‘ aus beiden oberen Gürteln der Malerei gebildet wird (und somit in beiden auch die Darstellung der geschichtlichen Zeit vorhanden ist) und interpretiert den unteren Gürtel (Zone III) als eine Szene ‚hieros gamos‘, die mit der Investitur des Herrschers verbunden ist.8 Dies kann weiterhin ein Gegenstand von Diskussionen sein, wichtig bleibt aber die (wohl) endgültige Übereinstimmung, was die Bedeutung des oberen Gürtels (Zone IV) betrifft, in dem dann zweifellos die Reihe der Herrscher im Verlauf der geschichtlichen Zeit seit dem zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts dargestellt ist, natürlich so, wie sich eben solche der Autor der Malerei im Jahre 1091 vorstellte.9 Der Grund für die Darstellung der jungen Prinzen, also der Nachfolger, kann dann logischerweise nur die Absicht der beiden Auftraggeber sein, deren Reihenfolge auf dem steinernen Thron der Tschechen in der Prager Burg zu bestimmen und zu fixieren,10 psychologisch geht es also um die Projektion der linearen Zeit in die Zukunft und gleichzeitig um eine politische, eine didaktische Zielsetzung.
Es gibt also (mindestens) drei Gründe, warum es möglich und geboten ist, manche Aspekte der Znaimer Malerei mit der berühmten Tapisserie von Bayeux zu vergleichen:11
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diese ist in der gleichen geschichtlichen Zeit entstanden (um 1075, eventuell ein wenig früher, sicher aber vor 108212), und zwar als die feierliche Lobpreisung eines einmaligen geschichtlichen Ereignisses, der Eroberung Englands durch die Normannen, es handelt sich also inklusive ihrer Auftraggeber um die gleiche Generation lebender Personen sowohl in England und Normandie, als auch in Böhmen und Mähren,
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auch sie zeigt eine Menge an realen Persönlichkeiten im Verlauf der linearen geschichtlichen Zeit von etwa zwei Jahren zwischen Frühling 1064 und Oktober 1066 (ursprünglich wohl bis Dezember 1066 mit der Krönung Wilhelms, die letzten etwa fünf Meter des Werkes sind allerdings unwiederbringlich verloren),
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und sie hat ebenfalls einen didaktischen (politischen, pädagogischen) Inhalt, weil der Hauptzweck ihrer Anfertigung die Absicht der siegreichen Normannen war, ihre neuerworbenen angelsächsischen Untertanen davon zu überzeugen, dass es nach Recht und Gottes Willen geschehen war, als der heimische Machthaber König Harold von dem normannischen Herzog Wilhelm abgelöst wurde.
Die Tapisserie, bis heute im normannischen Bayeux aufbewahrt,13 ist ein etwa siebzig Meter langes und etwa ein halbes Meter breites Leinentuch, das als Träger für die mit Wolle darauf gestickte Geschichte von der Eroberung Englands dient, inklusive einzelner Episoden, die diesem Ereignis vorausgingen. Sie ist zwar wiederholt restauriert worden, das letzte Mal in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, die heutige kunsthistorische Wissenschaft zweifelt aber nicht daran, dass ihre Ikonographie für unsere modernen Interpretationen zuverlässig genug ist.14
Aus der Sicht der Psychologie dient auch ein Bild zwangsläufig der Übertragung von Informationen, wobei jegliche menschliche Kommunikation als dreistufig begriffen werden kann. Die Einmaligkeit der Tapisserie von Bayeux besteht auf der untersten Stufe der Syntax, bei der sich skandinavische Einflüsse offenbaren. Gestickte oder gewebte Tapisserien (Teppiche, Gobeline) mit verschiedenen Darstellungen (mitsamt einer narrativen Komponente) sind in dieser Gegend seit dem 8. Jahrhundert bekannt. Die Geschichte der schnell romanisierten Normannen der heutigen Normandie beginnt mit dem norwegischen Wikinger Hrolfúr (Rollo), der hier mit seinen Männern im Jahre 911 vom westfränkischen König Karl dem Einfältigen (‚simplex‘) angesiedelt wurde. Ihren Nachkommen inmitten des 11. Jahrhunderts waren die ‚gestickten Geschichten‘ noch gut vertraut, sowie auch die Fähigkeit, hervorragende Schiffe zu bauen, was einer der Hauptgründe ihres großartigen historischen Erfolges war.15 Es ist nur logisch, dass der Autor der Tapisserie, der gebildete normannische Bischof Odo, Halbbruder des Königs Wilhelm, bei der Durchführung seiner epochalen Idee auf die ihm gut bekannte ‚Technik‘ zurückgegriffen hatte und ließ die dazu bestimmten Frauen mit Wolle das zu sticken, was er (wohl persönlich) auf das Leinengewebe (mit Kohle?) vormalte.
Was die semantische Aussage betrifft, möchte ich mich im Folgenden auf fünf Attribute konzentrieren, die auf beiden Kunstwerken vorkommen und manchmal eine wichtige Rolle spielen. Ihre Komparation, die so systematisch nach meiner Kenntnis noch nicht vorgenommen wurde,16 könnte einzelne Zusammenhänge erhellen und somit zum besseren Verständnis der Znaimer Malerei beitragen. Die Tapisserie wird allgemein durch eine ungewöhnliche Lebendigkeit, eine dynamische Beweglichkeit der vielen Gesten, einen Sinn für Details und eine unglaubliche Rationalität gezeichnet, einen eindeutigen ‚Pragmatismus‘ also, denn alles ist dem einen (didaktischen) Hauptzweck unterordnet.
Zum Schluss möchte ich noch kurz die ‚ideologischen‘ Hintergründe aufzeigen und somit auch die Bedeutung beider Kunstwerke vergleichen, wobei die Zusammenfassung auf der höchsten, pragmatischen Ebene der Kommunikation, vielleicht ein wenig überraschend ausfallen wird.
Bild 1 (Bem. 17)
Das erste für einen Vergleich geeignete Attribut ist die KRONE, die nach der allgemeinen Übereinstimmung der gesamten Forschung auf der Znaimer Malerei König Vratislav identifiziert,17 wie das letzte bedeutsame Werk noch einmal bestätigt.18 Hier geht es keinesfalls um die Anzweiflung dieser Erkenntnis, sondern um den Versuch, mit Hilfe der Tapisserie von Bayeux eine Antwort auf die berechtigte Frage zu finden, ob in dem ikonographischen ‚Wörterbuch‘ der Zeit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine Krone wirklich nur einen König bezeichnete, oder etwa auch andere Herrscher schmückte.
Bild 2 (Bem. 20)
Die Antwort lautet hier erfreulicherweise klar, dass dem tatsächlich genau so ist. Die Tapisserie beginnt mit der Szene, wie König Edward der Bekenner irgendwann im Frühling 1064 den Herzog19 Harold Godwinsson mitsamt eines Begleiters in Westminster empfängt, der König trägt dabei eine Krone auf seinem Haupt.20 Des weiteren lässt sich gut belegen, dass König Edward auch in zwei weiteren Szenen seine Krone trägt, das erste Mal bei dem Empfang Harolds nach dessen Rückkehr aus der Normandie (Taf. 28) und das zweite Mal bei eigenem Tod (Taf. 30), wobei sie ihm abgenommen wird, um seinen Leichnam in Tuch einwickeln und bestatten zu können. Sehr schön ist auf der Tapisserie auch belegt, dass die Krönung ein fester Bestandteil der königlichen Inthronisierung war.21 Auf dem nächsten Bild sehen wir den König Harold bereits auf dem Thron sitzen, im begleitenden Text wird er ab jetzt bis zu seinem Tod auf dem Schlachtfeld von Hastings ‚rex‘ genannt.
Bild 3 (Bem. 21)
Kein anderer Herrscher auf der Tapisserie, vor allem Herzog Wilhelm oder sein Lehnsmann, der Graf Wido/Guy von Ponthieu, wie auch der besiegte Graf der Bretagne Conan, haben bei irgendeiner Gelegenheit eine Krone auf dem Kopf. Die Kunsthistoriker bezweifeln demgegenüber nicht, dass sie ursprünglich auch noch der frischgekrönte König Wilhelm der Eroberer auf der allerletzten Szene der Tapisserie auf seinem Kopf trug, die aber aus besagten Gründen fehlt.22 Es läßt sich berechtigt zusammenfassen, dass von den hier untersuchten fünf Attributen gerade die Krone als DAS Identifikationsmittel eines Königs (und somit allgemein als Möglichkeit einer ikonographischen Individualisierung, was weiterhin wichtig sein wird) das eindeutigste und sicherste Merkmal ist.
Das zweite Attribut ist der UMHANG, der auf der Znaimer Malerei allgemein (und wohl auch berechtigt) als das Mittel zu Identifizierung eines Herrschers aufgefasst wird. Das letzte Werk bestätigt dies explizit (wobei es unzählige weitere Belege dazu gibt) vor allem durch die detaillierte Analyse der Szene am Anfang ‚des dynastischen‘ Gürtels (Zone III), in der der Pflüger feierlich den Umhang empfängt, was gleichzeitig als ‚hieros gamos‘, die ‚heilige Hochzeit‘, interpretiert wird, die unter anderem auch die Investitur eines Herrschers symbolisiert, die auf der Malerei in Znaim gerade mit Hilfe eines Umhangs dargestellt wird.23 Diese richtige Erkenntnis wurde allerdings in der Vergangenheit (schon bei Friedl) unglücklich in die Richtung der fehlerhaften Spekulation von den sog. ‚Mährischen Fürsten als Regenten‘ erweitert, die auf der Malerei sehr hartnäckig vor allem die klassischen, auf schriftliche Quellen mental fixierten Historiker glaubten finden zu müssen.24 Dies ist aber schon formal-logisch falsch, denn wenn die Darstellung einer Figur mit Umhang ‚Herrscher‘ bedeutet, dann ist es (ohne weitere unterstützende Argumente diesbezüglich) logischerweise nicht möglich, daraus die Schlussfolgerung von konkreten ‚mährischen Regenten‘ zu ziehen. Erlaubt ist lediglich, diese Figuren nach dem ikonographischen Wörterbuch des Malers als irgendwelche ‚Nicht-Herrscher‘ zu begreifen, mehr aber vorerst nicht. Alles weitergehende ist bloß eine Spekulation, die bei den sog. ‚Mährischen Regenten‘ noch dazu durch nichts aus der Malerei selbst ikonographisch belegt wurde,25 während die neue Erkenntnis, dass es sich um junge Prinzen=Nachfolger (streng genommen zuerst auch nur eine Spekulation) handelt, sehr gut belegt werden kann, sowohl ikonographisch (s. weiter), als auch aus der geschichtlichen Situation, innerhalb der die Malerei entstand.
Bild 4 (Bem. 26)
Auf der Tapisserie läßt sich belegen, dass der Umhang in jedem Fall eine sehr bedeutsame Persönlichkeit (in großer Mehrheit der Fälle tatsächlich einen Herrscher) bezeichnet, allerdings nicht ausschließlich. Alle Herrscher tragen ihn sehr oft, wenngleich auch nicht ständig. Er fehlt niemals bei offiziellen Anlässen, die offiziellste und für die ganze Tapisserie eine der wichtigsten Szenen muss unbedingt zitiert werden.26 Einen Umhang besitzt sowohl der auf dem Thron sitzende und das Schwert der Gerechtigkeit haltende Herzog Wilhelm, als auch der schwörende Herzog Harold, zusätzlich noch sehr schön durch seinen Schnurrbart individualisiert, was auf der ganzen Tapisserie eine beliebte Bezeichnung der Angelsachsen ist. Mit Umhang sehen wir Herzog Harold auf seinem Pferd, als er nach Hause nach Bosham reitet (Taf. 2), und auch auf dem Schiff, als er die normandische Küste erreicht (Taf. 6), wir vermissen ihn aber in der unmittelbar folgenden Szene, als er gefangengenommen wird, was sehr logisch ist. Er ist hier umhanglos auch bei der Überwindung des Flusses Couesnon während des Kriegszuges seiner normannischen Verbündeten gegen die Bretonen.27 Der Autor der Tapisserie unterschied eindeutig die Situationen und folgte nicht nur der Symbolik (das Fehlen eines Umhangs bei der Gefangennahme), sondern berücksichtigte auch die Realität, denn es wäre ziemlich aussichtslos, in einem breiten Umhang gehüllt jemanden aus dem flüssigen Sand retten zu wollen. Auch Herzog Wilhelm, der sehr oft mit Umhang dargestellt ist, vermisst ihn in allen Situationen, in denen er einfach fehl am Platz wäre, wie z. B. in voller Rüstung vor seinem Abgang aus dem Lager, um an der Schlacht bei Hastings teilzunehmen (Taf. 51), oder bei der Übergabe der Waffen an Harold, sowie auch keine der vornehmen Personen in der Schlacht einen Umhang auf ihrem Kettenhemd trägt.
Bild 5 (Bem. 27)
In sonstigen und vor allem in offiziellen Situationen haben aber die Herrscher immer Umhang an, auch der niedrigere Lehnsmann Graf Wido, sowohl in der Szene, in der er auf dem Stuhl sitzend den gefangen genommenen Harold empfängt (Taf. 10), als auch als er in der nächsten Szene mit der rituellen Streitaxt in der Hand die Boten Wilhelms anhört, oder auch auf dem Pferd sitzend, als er vor Herzog Wilhelm (ebenfalls mit Umhang) leicht seitlich gedreht28 auf seinen Begleiter Harold (auch mit Umhang) zeigt. Im Gegensatz zu der Malerei in Znaim, die grundsätzlich viel sakraler und auch repräsentativer ist, als die pragmatischen ‚comics‘ der Tapisserie, ist auf dieser allerdings zu belegen, dass sie ebenfalls Personen mit Umhang zeigt, die wohl keine Herrscher sind. Die erste davon ist der Mann, wohl ein vornehmer Mann, der auf den Taf. 49/50 die Arbeiter beaufsichtigt, die gerade die Befestigungen um Hastings verstärken, wo der Stützpunkt Wilhelms nach seiner Landung in England war und wo er auf seinen Gegner Harold wartete, der gerade so schnell wie möglich von York nach Süden marschierte.29 Weil wir aber nicht genau wissen, wer der besagte Vornehme ist, bleibt diese Situation fraglich. Theoretisch könnte es Wilhelms zweiter Halbbruder sein, der Graf Robert von Mortaine, der auf der Tapisserie wiederholt vorkommt, wie auch deren Autor Bischof Odo, beide mit Umhang. Das zweite (und auch das letzte) Beispiel ist aber klarer. Es handelt sich um eine ziemlich mysteriöse, der Interpretationskunst der Historiker sich schon lange widersetzende Szene (Taf. 17), in der ‚…irgendein Klerikus und Aelfgyva…‘ irgendetwas anstellen, dabei unten auf der Bordüre von einem der mehreren Nackedeis ikonographisch kommentiert, die sich auf der Tapisserie befinden; in diesem Falle mit einem üppigen, jedoch ungefährlich hängenden Geschlechtsteil, denn andere Männlein von dieser Sorte sind als Hälfte von verschiedenen Pärchen teilweise richtig ‚bereit‘. Dieser ‚irgendein Klerikus‘ ist auch mit Umhang dargestellt und widerspricht somit der postulierten Eindeutigkeit der Regel, dass mit Umhang ausschließlich ein Herrscher dargestellt ist, die offensichtlich auf der Tapisserie nicht so rigide gilt, wie auf der Malerei von Znaim.
Das dritte sich zum Vergleich anbietende Attribut ist die LANZE, in erster Reihe und vor allem eine Waffe, die wir auf der Tapiserie unheimlich oft vorfinden. Als kurze Wurfspeere benutzen sie sowohl die normannischen Reiter (z. B. Taf. 62, 63 u. v. a. m.) als auch die angelsächsischen Fußkämpfer (z. B. Taf. 62 und 66, als sie sich sehr realistisch kopfüber von ihren Befestigungen stürzen). Oft sehen wir Lanzen bei den normannischen Reitern in der typischen Haltung, also eingeklemmt unter dem Arm, in diesen Fällen häufig mit Fähnchen (Gonfanons) geschmückt, die sogar denen in Znaim ähneln (Taf. 53, 57, 58, 60, in den Händen des alten Angelsachsen auf der Taf. 62 symbolisiert es wohl das ganze englische Heer).
Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Lanze mehrere symbolische Bedeutungen innehat, von welchen auf der Tapisserie gut belegt ist, dass sie in dem ‚ikonographischen Wörterbuch‘ der Zeit als Verkörperung der Macht verstanden wurde. Wir sehen die Lanze wiederholt im Hintergrund der Szenen mit den sitzenden oder auch nur stehenden Herrschern, oft von Herolden gehalten, während die Herrscher selbst in der normannischen Umgebung eher das Schwert der Gerechtigkeit, das Zepter, den Apfel oder einen zeremonialen Stock halten, während bei den Angelsachsen eher die rituelle Streitaxt überwiegt.30
Bild 6 (Bem. 31)
Sehr typisch und gut bekannt (auch aus der tschechischen Historie, als sie ganz ähnlich Kosmas zum Jahre 1099 in Regensburg bei zwei Brüdern beschreibt, die wir beide vor unseren Augen auf der Malerei in Znaim haben) ist die Szene, als Herzog Wilhelm dem englischen Herzog Harold Waffen und Rüstung übergibt, die zweite Schlüsselszene der Tapisserie.31 Diese Ausstattung anzunehmen, glich der Anerkennung der Lehensabhängigkeit, zumindest bei den französischen Normannen, der Angelsachse Harold mag es dann daheim anders inteprätiert haben. Die Lanze mitsamt Gonfanon symbolisiert natürlich die Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet, was die Tapiserie mit dem unglaublich präzisen Detail dokumentiert, wie die Schlüssel einer kapitulierenden Stadt übergeben werden.32
Bild 7 (Bem. 32)
Des Weiteren besitzt die Lanze zweifellos auch einen starken sakralen Inhalt. Seit der Zeit der Lanze des Longinus, mit der er die Flanke Christi durchbohrte, bis zu der (Reichs)Lanze des Heiligen Maurikios begleitet sie unzertrennlich unser ganzes erstes Millennium, ja sogar in der Kunst der Renaissance lebte diese Tradition noch ein halbes Jahrtausend später.33 Kein Wunder also, dass mit einer Lanze in der Hand nicht nur alle Herrscher in Znaim dargestellt sind, sondern auch die jungen Nachfolger, denn sie identifiziert sie als Macht-haber, als Mitglieder eines Fürstengeschlechts. Auch diese Tradition ist in der tschechischen Ikonographie gut bekannt, man braucht nur die Figur des Heiligen Wenzels auf dem Titelblatt der Gumpoldlegende von Wolfenbüttel, auf dem er unter der Last der Märtyrerkrone sinkt, anzuschauen, und sie mit seiner Darstellung im Majestat im Kodex von Vyšehrad aus der Zeit der Entstehung der Znaimer Malerei zu vergleichen. Ich bin davon überzeugt, dass als Folge des enorm wichtigen geschichtlichen Ereignisses der Königskrönung Vratislavs nur fünf Jahre vor der Entstehung der Malerei und der Rolle, die dabei die durch die tschechischen Kämpfer in der Schlacht bei Flarchheim vom Gegenkönig Rudolf von Schwaben erbeutete Lanze (=Machtverlust in der analogen Kommunikation des Mittelalters) spielte (und sein hochsymbolischer Tod ein halbes Jahr später),34 der Autor der Malerei die Lanze zur eindeutigen Identifizierung des Heiligen Wenzels benutzte.35
Bild 8 (Bem. 36)
Das vorletzte Attribut ist der HELM, den wir relativ logisch sehr häufig auf der Tapiserie vorfinden, die in ihrem viele Meter langen Abschluss nur noch eine tobende Schlacht zeigt, dafür aber in nur einem einzigen, allerdings umso interessanteren Fall auf der Malerei in Znaim sehen.36 Sie sehen sehr ähnlich aus, was ihre Form angeht, nur mit dem Unterschied, dass die Helme auf der Tapiserie einen manchmal ziemlich breiten Nasenschutz haben, der dem Helm in Znaim fehlt. Sie werden ausnahmslos von Kämpfern getragen, in keinem einzigen Fall sind sie sonst bei Hunderten von Figuren in anderen Szenen anzutreffen,37 wohingegen wir aber auch Kämpfer sehen, die dieses Attribut vermissen. Manche der normannischen Reiter haben ihren Kopf lediglich mit einer Kappe aus einem Kettengeflecht überzogen, manche der englischen Fußkämpfer sind ohne jegliche Kopfbedeckung dargestellt. Hochinteressant ist dann die Art und Weise, wie der Autor der Tapiserie in einer geradezu dramatischen Szene den Helm zu dem gleichen Zweck benutzte, der auch dem Maler in Znaim einfiel – durch die Darstellung gerade dieses Attributs gelang es ihm, eine bestimmte (wichtige) Person zu individualisieren.38 Während der Schlacht bei Hastings verbreiteten die Angelsachsen nämlich vorübergehend Panik im normanischen Heer, indem sie behaupteten, Herzog Wilhelm sei tot, sodass die verwirrten Gegner das Schlachtfeld zu verlassen begannen. Es war aber bloß eine List, Herzog Wilhelm war in Wirklichkeit gesund und putzmunter, und als er begriff, was um ihn herum so vor sich geht, drehte er sich im Sattel um und um zu gewährleisten, dass seine Soldaten ihn auch erkennen, hob er seinen Helm vorne kräftig an, sodass der breite Nasenschutz den Blick auf sein Gesicht nicht mehr verdeckte. Genauso sehen wir diese dramatische Szene auf der Tapiserie von Bayeux dargestellt.39
Bild 9 (Bem. 39)
Desweiteren müssen wir uns fragen, was für einen symbolischen Inhalt die Darstellung eines einzigen Fürsten mit einem Helm auf dem Kopf auf der Znaimer Malerei haben kann,40 worauf es möglicherweise eine Antwort aus einer nur unwesentlich späteren Zeit gibt. In dem sog. Gebetsbuch der Heiligen Hildegard von Bingen (die Münchner Handschrift) aus der Zeit um 1170 sehen wir acht Miniaturen, bei denen in einer Gegenposition immer oben und unten ein Pärchen von ‚Guten‘ (die Tugenden, ‚gesegnet seien diejenigen, die so und so handeln‘) und ‚Bösen‘ (die Laster, ‚verdammt seien diejenigen, die…‘) dargestellt ist. Die letzte Miniatur stellt in der unteren Hälfte diejenigen vor, die ‚Streit suchen und andere verfolgen‘, wobei einer der beiden dargestellten Sünder einen Helm auf seinem Kopf trägt.41
Bild 10 (Bem. 41)
Es scheint also gerechtfertigt, die Symbolik des Helmes auf der Malerei von Znaim so zu verstehen, dass sein Träger als ein ‚Streiter‘ bezeichnet werden sollte, als jemand, der eine Schuld von Widerstand, Rebellion und Ungehorsam auf sich geladen hatte. Und weil wir Dank des fast schon wundersam detaillierten Zeugnisses von Kosmas – was allerdings diesmal nur wenig überrascht, denn er schreibt hier über Ereignisse, die er höchstwahrscheinlich persönlich miterlebte – die Geschehnisse vom Sommer 1091 ziemlich gut kennen, ist es nicht mehr so schwierig festzustellen, welcher der neun Prinzen des Přemysliden-Geschlechts gerade damals und gerade so bezeichnet sein dürfte.
Es bleibt nur noch die semantische Aussage des letzten Attributs zu erläutern, wie wir es auf den beiden Kunstwerken beobachten können, die Ikonographie des SCHILDES, die im großen und ganzen die komplizierteste, aber gleichzeitig auch die interessanteste Aussage ist. Auf der Tapiserie sehen wir eine große Menge an verschiedenen Schilden in der verschiedensten Ausführungen. Die große Mehrheit bilden längliche, ‚mandelförmige‘ Schilde des normannischen Typus in verschiedener Qualität. Die einfachsten Schilde werden von den englischen Fußkämpfern (Taf. 61, 62, 66) gehalten, sie sind bloß einfarbig und ohne Bordüre, manchmal nur mit einigen kleinen runden ‚Fleckchen‘, die wohl die Nagelköpfe darstellen sollen, die die innen vorhandene Einrichtung zum Halten der Schilde befestigen. Manche der Angelsachsen halten alte und offensichtlich traditionelle runde (‚skandinavische‘) Schilde mit einem spitzen Metallstück in der Mitte, denn Bischof Odo wollte sie wohl absichtlich als solche darstellen, weil sie in der Schlacht bei Hastings von Männern getragen werden, die entweder sehr alt (mit weißen Bärten dargestellt, Taf. 71, 62) oder sehr hochgestellt sind, wie etwa die beiden Brüder Harolds Leofwin und Gyrth (Taf. 64), die in dieser Schlacht auch beide gefallen sind.
Bild 11 (Bem. 42)
Ikonographisch eindrucksvollere Schilde haben allerdings die Normannen. Sie sind schon bei den einfachen Kämpfern oft mehrfarbig mit abgesetzten Bordüren (sehr gut kann man sie auf den Szenen der Meeresüberfahrt beobachten, wie sie nach der alten Sitte der Wikinger die Schiffsflanken säumen, z. B. Taf. 42). Viele sind richtig bunt bemalt, entweder mit verschiedenen geometrischen Motiven (Taf. 7, 17, 23, 24, 40, 63, 70, 71) oder sogar sehr schönen Figuren, meistens mythischen Tieren wie etwa geflügelten Schlangen (Taf. 7, 12, 15, 70), geschmückt.42 Die vorheraldische Zeit des 11. Jahrhunderts kannte sehr wohl die ‚bemalten Schilde‘, wie sie Kosmas von Prag offensichtlich ganz richtig zu der Zeit um 1040 erwähnt. Inwieweit sie allerdings schon damals ihre Träger individualisierten, lässt sich heute nicht so leicht abschätzen.43 Sehr viele Schilde zeigt die Tapiserie zweifellos von ihrer Innenseite aus. Alle haben dann ausnahmslos verschiedene Riemen oder Schnüre, die entweder nur von der Hand gehalten werden (Taf. 8, 18, 19, 39 und auf fast jeder Szene der Schlacht am Ende) oder noch zusätzlich den Unterarm umwickeln (Taf. 20, 22, 55, 69), häufig ist noch dargestellt, dass ein Reiter gleichzeitig mit seinem beschildeten Arm auch noch die Zügel seines Rosses bedienen muss. Nirgendwo, in keinem einzigen Fall,44 ist so ein Schild mit Streifen anzutreffen. Immer sind es Schlingen oder locker hängenden Schnüre, wie auf dem schon aus anderen Gründen zitierten Bild (Bem. 27) auch.
Wie ist überhaupt die unglückliche Idee von den ‚umgedrehten Schilden‘ auf der Znaimer Malerei entstanden? Der Kunsthistoriker Friedl45 bezeichnete so die Schilde mit merkwürdigen Streifen (die bei drei der Fürsten im oberen Gürtel tatsächlich so gemalt sind), weil er angenommen hatte, der Grund für diese ungewöhnliche Darstellung liegt darin, dass wir die Konstruktion zum Halten der Schilde auf der Innenseite sehen (sollen, so die vermutete Absicht des Malers). Zu dieser Annahme verleitete ihn die Tatsache, dass eine von diesen drei Figuren ihren Schild in der Tat an dem obersten seiner ‚Streifen‘ hält, während die beiden anderen ihre Schilde genauso halten, wie alle anderen Fürste ihre ‚normalen‘ Schilde auch, also (meistens) am Rand.
Bild 12 (Bem. 46)
Die gebeugten Finger (was von den so wichtigen Aquarellen Trapps eindeutig bestätigt wird) des uns bereits bekannten Mannes mit dem Helm46 lassen keinen Raum für irgendwelche Spekulationen, dass hier die Hand lediglich ‚auf der Fläche des Schildes liegt‘, um ihn durch das Drücken gegen den eigenen Körper zu halten, solche Darstellungen lassen sich nämlich problemlos differenzieren.47 Friedl hat sehr wohl richtig beobachtet, lediglich seine Interprätation des Gesehenen war falsch. Es ging nicht um eine realistische Darstellung, wie so oft auf der (‚pragmatischen‘) Tapiserie. Es muss hinterfragt werden, welche symbolische Aussage des Malers die Streifen auf einem Schild hätten haben können, und darauf gibt es durchaus logische Antworten. Die klassische Historiographie weiss, das ‚der Mensch des Mittelalters gewöhnt war, die symbolische Bedeutung der Farben zu verstehen, wobei das Gestreifte /…/ moralische Gefährdung bedeutete‘,48 also eine Sünde, ein Vergehen und die Strafe dafür bezeichnete, während die Ikonographie bis heute die Streifen als Ausdruck von Strafen auf dem klassischen Gewand abgeurteilter Verbrecher beibehielt, was gerade die deutsche Sprache geradezu einmalig ausdrückt.49 Wenn also in dem ‚ikonographischen Wörterbuch‘ der Autoren der Znaimer Malerei Streifen auf den Schilden Strafe bedeuteten, dann gibt es keinen Zweifel mehr, dass die fünfte Figur unter der jungen Nachfolgern, der schon mit seinem einmaligen Helm individualisierte Streiter und ungehorsame Rebell, die Darstellung des Königssohnes Břetislav, des ältesten Prinzen des Přemysliden-Geschlechts, sein muss, weil nur er in diesem Sinne in den dramatischen Ereignissen im Sommer 1091 eine wahrlich schicksalsträchtige Rolle innehatte. Dies würde gleichzeitig bedeuten, dass er dafür wirklich grausam bestraft wurde, denn die Verschiebung hinter zwei seiner Brüder und auch zwei seiner Vetter ist praktisch mit einer Enterbung (= mit Verlust der zukünftigen Herrschaft über das Land) gleichzusetzen. Kein Wunder also, dass er diese Strafe nicht akzeptieren konnte und lieber sofort ins Exil nach Ungarn flüchtete.50
Ich bin davon überzeugt, dass die bemalten Schilde der neunzehn Fürsten einen informativen Inhalt haben, obwohl es sich unstrittig um präheraldische Zeit handelt. Wenn ‚jede Figur ihre spezifische Farbgestaltung‘ habe,51 gab es auf der Malerei (im Originalzustand) neunzehn individuelle Gewänder. Warum denn nicht auch neunzehn individuelle Schilde? Nein, es sind vier verschiedene (Arten von) Schilde(n) (Bem. 46), nicht mehr und nicht weniger, so sind die Fakten. Und so lange wir wissen, dass auf der Malerei nach den zehn (ehemaligen) Herrschern auch noch neun ihrer Söhne und Neffen als ihre (zukünftige) Nachfolger stehen, müssen wir (konsequent) bei den Tatsachen bleiben. Der Hauptgrund ihrer Darstellung in dieser historischen Situation muss doch (auch, unter anderem) ihre konkrete Reihenfolge sein, die Projektion der laufenden Zeit in die Zukunft, diese geniale (‚politische‘, didaktische und gleichzeitig auch noch künstlerische) Intention der Auftraggeber und Autoren der Malerei, die auch deswegen einmalig im gesamteuropäischen Rahmen ist. Der informative Inhalt der verschiedenen, in ihrer Anzahl aber (auf vier) begrenzten farbigen Darstellungen der Schilde muss dann mit diesem politisch-didaktischen Aspekt etwas zu tun haben. Mit anderen Worten, die Schilde bestimmen offensichtlich vor allem die Zugehörigkeit der Söhne zu ihren Vätern, wobei wir noch annehmen dürfen, dass für die damaligen Beobachter ihre Identifikation durch die individuellen Gewänder noch deutlicher war.
Die Analyse der Schilde ist nach dieser Prämisse nicht einfach, aber identifiziert letztlich alle neun Nachfolger eindeutig, weil wir zusätzlich wissen, dass sie bis auf die Ausnahme des individuell bezeichneten (sowohl hervorgehobenen als auch abgestraften) Břetislav sonst wohl nach ihrem Alter stehen.52 Schließlich waren sie alle gleich die Enkel des großen Fürsten Břetislav, der nach dem Bericht des Kosmas die Senioratsregelung verfügte, und zwar explizit für seine Söhne (bei denen sie ohne Ausnahme und ziemlich friedlich beachtet und gelebt wurde, obwohl ganz am Ende, im dramatischen Jahr 1091, schon aus letzter Kraft) und Enkel (bei denen sie schon umkämpft wird, aber im großen und ganzen doch noch zu ihrer Geltung kommt), während sie in der nächsten Generation der Urenkel erlosch.
Fürst Konrad, heute berechtigt als ‚von Brünn‘ bezeichnet, weil er dort dreißig Jahre lang regierte, hält einen roten Schild mit einer Rosette in der Mitte, genauso wie der sechste der jungen Nachfolger auch, offensichtlich sein jüngerer Sohn Luitold, denn weiter nach rechts gibt es keinen roten Schild mehr. Der (ältere) zweite Sohn Konrads Odalric muss dann wohl der Zweite in der Reihe der Nachfolger sein, mit einem ähnlich gestreiften Schild, wie es der des bestraften Břetislavs zeigt, nicht nur, weil er in seinem farbigen Grundton tatsächlich bis heute rot geblieben ist, sondern vor allem deshalb, weil es keinen anderen zur Auswahl mehr gibt. Die vier übrigen Söhne des Königs halten genauso wie er selbst den immer im Profil dargestellten Schild mit einem metallischen Mittelstück, in der Reihenfolge wohl Boleslav als Erster,53 Bořivoj als Vierter, Vladislav als Siebter und Soběslav als Neunter und letzter.54 Und schließlich die beiden Fürsten von Olmütz, Svatopluk als Dritter55 und Otto Junior (später ‚der Schwarze‘) als Achter halten in der Tat die letzte anzutreffende Ausführung des Attributes Schild, den weiss-roten mit einer Rosette, den auf der Malerei von den Fürsten vor allem ihr Großvater Břetislav hält, der 15 Jahre lang von Olmütz aus Mähren regiert hatte, bevor er den steinernen Thron seiner Ahnen in der Prager Burg erbte. Das Mitglied der Generation dazwischen, Fürst Otto I. von Olmütz (‚der Schöne‘), ist auf der Malerei aus logischen Gründen nicht anwesend, denn er wurde nie ein Herrscher in Prag und kann im Jahre 1091 auch kein Nachfolger mehr sein, weil er bereits vier Jahre zuvor starb.
Es verbleiben nur noch ein paar letzte Worte zu der pragmatischen Ebene der Kommunikation; es soll etwas über die Bedeutung der beiden verglichenen Kunstwerke gesagt werden. Vielleicht überrascht an dieser Stelle meine tiefste Überzeugung, dass aus diesem Blickwinkel betrachtet die Malerei von Znaim haushoch gewinnt. Die Tapiserie von Bayeux ist trotz ihrer einmaligen Syntaxe und vieler erstaunlichen Details ihrer semantischen Aussage56 auf dieser Ebene geradezu banal. Sie feiert doch nur den Krieg, den Sieg, die Eroberung eines fremden Landes, eine blutige Schlacht, Gewalt und Zerstörung. Dies war natürlich vollkommen normal und passend für die damalige Zeit, aber so ein Kunstwerk ist doch in der Motivation seiner Entstehung geradezu alltäglich; nichts wird in unserer Kulturgeschichte so häufig und inbrüstig gefeiert, wie gewonnene Schlachten und Kriege. Die Malerei von Znaim ist aber genau gegenteilig die (für die Zeit schon wegen der Erhaltung einmalige) feierliche Lobpreisung eines Abkommens, ja des Friedens! Es ist tatsächlich unglaublich, aber zwei der tschechischen Přemysliden schafften es (nur vorübergehend, freilich) damals, in ihrer gewalttätigen blutigen Zeit, dem Vertrag im Frieden den Vorrang vor Krieg und Zerstörung zu geben, dokumentiert zudem noch durch diese einmalige Art und Weise der ‚künstlerischen Veröffentlichung‘ als eine farbige Freske, und das Ganze noch um ein durchdachtes Projekt für die Zukunft zu erweitern. Ich wage zu behaupten, dass so etwas eine einmalige Rarität in der europäischen Geschichte darstellt.
Ganze Jahrzehnte wurde postuliert, dass die Znaimer Malerei vor allem wegen der (unstrittigen) Darstellung des bohemisierten Mythos über den Pflüger-Herrscher, Bräutigam der heiligen Hochzeit ‚hieros gamos‘ und Begründer der ersten Fürstendynastie, ‚tschechischen Ursprungs‘ ist. Das allerdings halte ich für einen Irrtum. Dieser Mythos ist nicht nur uralt, sondern vor allem ein allgemeines, in vielen Nationalkulturen zu findendes indo-europäisches Erbe. Nicht in der Darstellung dieses Mythos, sondern in seiner Form, in der Inovation, Flexibilität, im Sinn für (manchmal fast selbstzerstörerischen) Humor, in dem Mut, ja sogar in einer sympathischen ‚Frechheit‘, in einer geweihten Kapelle einen profanen Friedensvertrag der lebenden Fürsten zu verewigen und ihn somit für die Nachkommen aufzubewahren – darin scheint mir die Malerei in Znaim so richtig ‚tschechisch‘ zu sein.57
Und das ist gleichzeitig das letzte Steinchen ins Mosaik der Spekulationen, wer denn der künstlerische Autor dieses unglaublichen Werkes hätte sein können. Wenn wir wissen, dass der Künstler der romanischen Zeit so gut wie ausschließlich ein Kleriker war, sollten wir nach ihm im Falle einer Malerei in dem mährischen Znaim vielmehr zu Hause suchen, als etwa im Ausland. Sie ist nämlich laut des letzten Gutachtens so auffällig ‚byzantinisch‘, dass wir nicht mehr mit den schon wiederholt (auch von Friedl) vermuteten ‚Einflüssen aus dem süddeutschen und norditalienischen Raum‘ auskommen können. Es ist höchst erfrischend, dass das Verlassen der irreführenden Inschrift und ihres tiefeingefressenen Dogmas ‚die Malerei in Znaim ist 1134 entstanden‘, offensichtlich auch noch ein weiteres Problem elegant zu lösen vermag. Es kann dann kein Zweifel mehr bestehen, dass die schon erforschten Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen der Znaimer Malerei und den gerade erwähnten Kunstwerken der Salzburger und Regensburger Schule sowie auch des Klosters von Zwiefalten offensichtlich einer umgekehrten Kausalität unterliegen, als bis jetzt angenommen wurde. Weil alle diese Kunstdenkmäler am Anfang des 12. Jahrhunderts entstanden sind, können sie nicht Inspiration der Znaimer Malerei sein, sondern vielmehr ihre Folge darstellen, sowie es auch der Grabstein des Grafen Wiprecht von Groitsch in Pegau, der ein Schwager der in Znaim dargestellten Přemysliden-Prinzen war, gewesen war.
Es bleibt ein großer Verdienst des Autors der neuesten Monographie, dass er die plausible Möglichkeit der Inspiration für die Znaimer Malerei aus der sehr stark byzantinisch beeinflussten ungarischen Umgebung aufzeigte, die in der relevanten Zeit knapp vor ihrer Entstehung enge Kontakte mit Mähren hatte.58 Es zeigt sich immer eindrucksvoller, dass der Autor dieser hochsakralen, ‚theologischen‘, durch mystische, geheimnisvolle Rigidität prallgefüllten ‚byzantinischen‘ Malerei ein heimischer Mönch sein konnte, ja fast musste, der Abt des slawischen Klosters Sázava Božetěch, über den wir nicht nur wissen, dass er ‚sehr schön malen konnte‘ und ‚nach dem weltlichen Ruhm strebte‘ – jawohl, Originalität war im Mittelalter (in dem besten aller Fälle) hochsuspekt – sondern auch, dass er als Strafe ‚für das hochmutige Frevel, dem König an einem der höchsten Feiertage (nachweisbar 1091!) die Krone aufs Haupt gesetzt zu haben‘ in eine zuerst nur symbolische (auf dem eigenen Rücken die selbstgeschnitzte Statue des Gekreuzigten bis nach Rom tragen) aber später (1096) doch in eine faktische und definitive Verbannung aus dem Lande der Tschechen vertrieben wurde – nach Ungarn. Und immer klarer wird auch deutlich, dass die einmalige Znaimer Malerei keine ‚bildliche Abschreibung‘ der Chronik des Kosmas von Prag ist, sondern vielmehr die (wohl hauptsächliche) Motivation ihrer Entstehung,59 wie es auch völlig der (früh)mittelalterlichen Mentalität entspricht, die der Ikonographie eindeutig Vorrang vor den geschriebenen Texten eingeräumt hatte.
1 Konečný, L.: Ikonografická problematika románské výmalby znojemské rotundy, in: Znojemská rotunda ve světle vědeckého poznání. Sborník příspěvků konference ve Znojmě 23.-25. 9. 1996, Znojmo 1997, S. 59-78.
2 Derselbe: Románská rotunda ve Znojmě, Brno 2005.
3 Dazu z. B.: Weidenmann, B.: Psychische Prozesse beim Verstehen von Bildern, Bern 1988. Die heutige Psychologie weiss, dass die moderne Mentalität der Gebildeten eine starke Neigung besitzt, ein Bild als Kommunikationsmittel zu unterschätzen, während die heutige Historiographie weiss, dass dem im Mittelalter genau umgekehrt war, im frühen Mittelalter der romanischen Zeit noch ausgeprägter, als im späten Mittelalter.
4 Dazu z. B.: Novotný, A.: Znojemská malba jako rébus neboli o smyslu této malby očima psychologie. In: Znojemská rotunda. Sborník příspěvků z 2. konference o rotundě ve Znojmě 25.-26. 6. 2003, Znojmo 2004, S. 25-42.
5 Auch die Mentalität der Historiker unterliegt gewissen psychologischen Regeln: ‚Der Historiker ist ein begeisterter Sklave der Quellen, die Quellen sind seine geliebte und gehasste Gottheit. Er ringt ständig mit ihnen, manchmal auch deshalb, weil er so wenig davon besitzt.‘, Třeštík, D.: Počátky Přemyslovců, Praha 1998, S. 7. Die heutige Historiographie zweifelt zwar nicht mehr daran, dass die geritzte Inschrift etwa zwei Jahrhunderte jünger als die Malerei ist und im Augenblick derer Entstehung ganz sicher nicht existierte, war aber bis jetzt nicht fähig oder willig, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
6 Konečný, (Bem. 2), S. 301-313.
7 Friedl, A.: Přemyslovci ve Znojmě, Praha 1966.
8 Konečný, (Bem. 2), S. 185-240.
9 Aus diesem Grund muss zwingend jedes Argument zweifelhaft bleiben, das mit den Kenntnissen der heutigen Zeit und ihrer hochentwickelten Wissenschaft ausgestattet es sich anmaßt, die geschichtlichen Kenntnisse der damaligen Maler zu ‚überprüfen‘ oder sogar danach ihre der damaligen Zeit angemessene Interprätation der Geschichte zu ‚reparieren‘, wie es bei der Forschung über die Znaimer Malerei wiederholt geschah. Sehr gewichtig ist aber das Argument, dass man im Mittelalter genau so, also als Reihenfolge der Herrscher, die eigene Geschichte wahrgenommen und vor allem periodisiert hatte, dazu Třeštík, Historické povědomí českého raného středověku, in: Dawna swiadomośc historyczna w Polsce, Czechach i Slowacji, Wroclaw-Warszawa-Kraków-Gdańsk 1978.
10 Aus den schriftlichen Quellen wissen wir allerdings, dass sie alle zugleich die Enkel des Begründers der Senioratsregelung, Fürst Břetislav I., waren, und dürfen, ja müssen seriös annehmen, dass das Alter dieser Jünglinge wohl nicht das einzige, doch aber das wichtigste Kriterium ihrer Position als Nachfolger auf der Malerei im Jahr 1091 war. Was gerade mit diesen neun Přemysliden und ihren Ansprüchen auf den Thron der Ahnen während der nächsten fünfunddreißig Jahre geschah, wissen wir zwar auch, aber müssen dabei unentwegt beachten, dass dies im Jahre 1091 unbekannt war.
11 Die Bilder werden nach der hervorragenden und auch wunderschönen Monographie von Wilson, D. M.: Der Teppich von Bayeux, Köln 2003 zitiert, die Zahlen bezeichnen dort reproduzierte farbige Tafeln. Das Werk nenne ich im Text Tapiserie nach der im Deutschen gebräuchlichsten Art und Weise, es scheint mir passender als Teppich, obwohl es sich, streng genommen, um ein Gobelin handelt.
12 Weil ihr Autor Bischof Odo damals von seinem Bruder Wilhelm ins Exil verbannt wurde.
13 Ursprünglich in der Kathedrale, was ihre relativ gute Erhaltung über so viele Jahrhunderte erklärt, heute im Museum. Größter Gefahr war sie während der französischen Revolution ausgesetzt, als die aufgeklärten Rationalisten sie zerschneiden wollten, um ihre erbärmlichen Pferdewagen damit abzudecken, bei einem Karneval sogar den Wagen der gerade neu errichteten ‚Göttin der Vernunft‘ – auch das ist eine verblüffende Übereinstimmung mit dem Schicksal der Znaimer Rotunde und ihrer Malerei inklusive der heutigen Bierbrauerei um sie herum.
14 Bis auf einzelne, für diese Abhandlung irrelevante Kleinigkeiten.
15 Sie ermöglichten ihnen, über den Ärmelkanal mehrere Hundert ihrer Schlachtrösser zu transportieren und sie auch ohne Verletzung und gesund aufs Land zu bekommen, was der zweite entscheidende Grund ihres epochalen Erfolgs war, denn die Angelsachsen konnten damals noch nicht vom Pferd aus kämpfen. Die Schiffe waren sehr flach, man konnte sie leicht aufs Trockene ziehen. Sie benötigten auch keine große Wassertiefe, die Wikinger waren in der Lage, auf den Flüssen Hunderte von Kilometern landaufwärts zu rudern. Sie bedrohten so zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert nicht nur Paris oder London, sondern auch das sarrazenische Sevilla oder andere, vom Meer noch weiter entfernt liegende Ortschaften. Ganze Jahrhunderte lang erfreute sich ihre kolossale ‚Abkürzung‘, die Reise von Konstantinopel nach Schweden über Dnjepr und die kleineren, in die Ostsee fliessenden Wasserwege aus dem heutigen Weissrussland, größter Beliebtheit.
16 Friedl zitiert die Tapiserie lediglich in einer einzigen Fußnote, s. auch. Bem. 45.
17 Der Kopf der neunten Figur mit Umhang im viertel Gürtel der Malerei (Zone IV), König Vratislav mit Krone, am besten in der Monographie Friedls (Bem. 7) zu beobachten, in der die Reproduktionen nach der (guten) Restaurierung Fišers aus den 50er Jahren eine deutlich bessere Qualität haben, als der (peinlich abgewaschene) heutige Zustand der Malerei in Znaim zeigt.
18 Konečný, (Bem. 2), explizit S. 300.
19 Auf der Tapiserie wird er in dem begleitenden Text ‚dux‘ genannt, wir wollen also bei dieser Titulatur bleiben, obwohl sie eher falsch ist. Harold Godwinsson, mit dem englischen Königsgeschlecht lediglich verschwägert (Edward war mit seiner Schwester verheiratet), war in Wirklichkeit ‚earl‘ (jarl in Skandinavien), im Deutschen dann wohl eher ein Graf als ein Herzog.
20 Wilson, Taf. 1.
21 Derselbe, Taf. 31. Die Normannen bestreiten auf der Tapiserie nicht, dass Harold im Januar 1066 durch die Wahl seiner Männer König der Angelsachsen wurde, sie behaupten lediglich, dass dies eine bloße Machtergreifung war, ein Rechtsbruch, Verrat des Eides, den er ihrem Herzog Wilhelm schwor.
22 Sie wurde abgerissen und verloren (etwa fünf Meter) vermutlich vor allem deshalb, weil die Tapiserie eingerollt aufbewahrt wurde, wobei man mit dem Einrollen immer am Anfang begann. Das Ende war also am stärksten strapaziert und nach und nach zerstört worden, bis der letzte Teil unwiederbringlich verloren ging.
23 Konečný, (Bem. 2), explizit vor allem S. 205.
24 S. z. B.: Krzemieńska, B.-Merhautová, A.-Třeštík, D.: Moravští Přemyslovci ve znojemské rotundě, Praha 2000, also ganze vier Jahre nach der Veröffentlichung der bahnbrechenden Entdeckung von L. Konečný…
25 Das hatte Anfang der 90er Jahre (wie typisch, erst ‚nach dem Ausbruch der neuen Freiheit‘!) die umfangreichen aber um so schwächer begründeten Spekulationen über die angebliche großmährische Wurzel der Znaimer Malerei zur Folge. Sie sind zwar im Konkreten, was die Interpretation der Figuren mit Umhang und ohne angeht, genauso (nur umgekehrt) falsch (mit Umhang seien die wichtigeren großmährischen Fürsten, ohne nur die unwichtigen Prager Regenten dargestellt), allgemein aber doch nützlich, weil sie im Spiegelbild die gleiche (in die Irre führende) Pseudologik des sog. Kurzschlusses zeigen, eines der modernen Psychologie wohlbekannten psychischen Phänomens, von dem manchmal auch gebildete Historiker befallen sind – ein ‚Nicht-Herrscher‘zu sein bedeutet noch lange nicht, dass die Figur ein ‚mährischer Regent‘ sein muss.
26 Wilson, Taf. 25/26. Herzog Harold schwört hier zwischen zwei Schränken voll Sakramente, dass er das Nachfolgerecht Wilhelms auf die Königskrone der Angelsachsen achten wird. Von daher leiteten die Normannen seinen Verrat ab und durften somit das Ergebnis der Schlacht bei Hastings als ein gerechtes Gottesurteil darstellen.
27 Ebenda, Taf. 20, auch wegen des Schildes in seiner Hand, von dem hier noch die Rede sein wird. Herzog Harold rettet hier zwei Männer (offensichtlich Normannen, weil der untere von ihnen deutlich mit dem für sie typischen glattrasierten Hinterkopf gezeichnet ist) aus dem hochgefährlichen halbflüssigen Sand.
28 Ebenda, Taf. 14. Hier möchte ich zusätzlich darauf aufmerksam machen, dass der rechte Fuß des Grafen Wido unerwartet gelungen fast perspektivisch dargestellt ist, was für die romanische Zeit wohl nur ein Zufall sein kann, denn die Perspektive wurde erst Jahrhunderte später (wieder)entdeckt.
29 Die Angelsachsen schlugen dort unter der Führung Harolds genau an dem Tag, als weit im Süden in Sussex die Normannen landeten, das Heer des norwegischen Königs Harald Hardrada, der in der Schlacht fiel, und zerrieben seine Kämpfer. Sowohl dieser Herrscher (der ‚Harte‘ Harald, der ein wahrlich buntes Leben hatte) als auch seine norwegischen (Spät)Wikinger waren alles andere, als ein leichter Gegner, trotzdem wurden sie von den Angelsachsen regelrecht vernichtet – sie kämpften übrigens ihnen gleich zu Fuß. Es ist so gut wie sicher, dass über das Schicksal Englands für das nächste Jahrtausend die normannische Reiterei entschieden hatte, wie es auch die Tapiserie von Bayeux eindrucksvoll festhält. Das 11. Jahrhundert ist übrigens in Europa die Zeit der Normannen schlechthin, denn außer England eroberten sie schon vorher das ganze (bis dahin byzantinische) Süditalien, mit dem Jahr 1061 begannen sie das sarrazenische Sizilien zu besetzen und 1099 spielten sie dann alle zusammen eine wichtige Rolle bei der Befreiung Jerusalems während des Ersten Kreuzzugs, wobei ihre Fürsten Bohemund und Tankred im Nahen Osten große Gebiete besetzten.
30 Wilson, Taf. 10, 11, 13, 17, 26, 50, Äxte bei den Angelsachsen z. B. Taf. 28 gleich zweimal, oder bei der Königskrönung, Taf. 31.
31 Ebenda, Taf. 24, und vergrößert (was auch der Originalgröße der Tapiserie entspricht) auf S. 23 vor der Taf. 1.
32 Ebenda, Taf. 23, es geht um die Kapitulation der Stadt Dinan während des Kriegszuges Wilhelms gegen die Bretonen.
33 Z. B. das wunderbare Bild Raffaels von 1518, auf dem der Erzengel Michael den Teufel mit der Lanze tötet.
34 Es wurde ihm die rechte Hand abgeschlagen, mit der er einmal seinem König Heinrich die Treue, die er jetzt gerade gebrochen hat, geschworen hatte.
35 Novotný, A.: Metody moderní mytologie (der Kampf um die ‚Znaimer Inschrift‘), in: VVM LVI, 2004, S. 3-14, das Bild auf der S. 5. Die Schlüsselfigur des Hl. Wenzels steht nicht nur im weissen Gewand als Erster in der Reihe. Er ist gleichzeitig als erlöst im Himmel dargestellt (‚er steht auf einer Wolke‘) und durch weitere Attribute hervorgehoben, vor allem durch die Lanze, mit der er als der einzige Fürst in der Kapelle alle drei Teile der Dreieinigkeit Gottes in tatsächliche Trinitas optisch verbindet – ihre Achse geht über den Himmel (die ‚Wolke‘) des Gottvaters zum Christus in der apsidialen Konche nach unten und auch zum Heiligen Geist (die weisse Taube) in die Kuppel nach oben. Gleichzeitig ist sein Körper noch durch einen optischen Trick so dargestellt, dass er genau in der Spitze des ‚magischen Dreiecks‘ steht, das er mit den beiden Donatoren bildet, obwohl in der Achse der Konche nicht er selbst gemalt ist, sondern seine Lanze. Dies ist dadurch ermöglicht, dass die Donatorin deutlich weiter nach rechts von dieser Achse steht, als der Donator nach links, was sicherlich kein Zufall ist, weil es ein bis heute sichtbares Detail zur Folge hat – als einzige Figur auf der Malerei vermisst die Donatorin die runde Arkade über ihrem Kopf.
36 Der Kopf der fünften umhanglosen Figur im Detail, am besten nach Friedl (Bem. 7), dazu s. auch Bem. 17.
37 Der Grund dieser Beteuerung wird demnächst erklärt, s. auch Bem. 40.
38 Es ist legitim, im Weiteren die Gründe detaillierter zu diskutieren, warum ein Fürst in der Kapelle mit einem Helm auf dem Kopf dargestellt ist, unbestritten sollte dabei allerdings bleiben, dass er dadurch in jedem Fall individualisiert wurde. Gleichzeitig wissen wir schon, dass es so gut wie sicher einer der Nachfolger, der jungen Premysliden-Prinzen ist, die wir dank des Berichtes von Kosmas alle namentlich kennen.
39 Wilson, Taf. 68. Der im Sattel rückwärts schauende Herzog Wilhelm zeigt mit seiner rechten Hand aufs eigene Gesicht, und um es ganz klar zu machen, bestätigt es mit der gleichen Gestik der vor ihm reitende (und ‚ihm zugewandte‘) Krieger. Diese ausdrucksvolle Gestikulation ist für die Tapiserie ganz allgemein sehr typisch, Bischof Odo wollte offensichtlich nichts dem Zufall überlassen. Seine fast schon die Fähigkeiten des Beobachters beleidigende Hyper-Klarheit der Darstellung, seine ‚westliche Nüchternheit‘ ist aber geradezu erfrischend und sehr auffällig, wenn wir sie mit der Mystik der ‚byzantinisch‘ verschlüsselten geheimnisvollen Symbole der viel sakraleren (ein ‚theologisches Programm‘, Konečný) Malerei von Znaim vergleichen. Desweiteren ist es auch ein guter Hinweis, dass ein Bischof dieser Zeit vielmehr ein Mann der Macht (‚Politik‘) als einer der Kontemplation war.
40 ‚Es handelt sich kaum um ein allgemeines Attribut eines (wie auch immer) hervorragenden Kämpfers…‘, Konečný, (Bem. 2), S. 314. Ja, so gut wie sicher geht es um eine wichtige Symbolik, auf dieser Malerei ist es wohl anders gar nicht möglich, wobei dieser Autor noch eine ähnliche Funktion des Helmes wie die einer Krone in Erwägung zieht, was natürlich, bis auf die klare Individualisierung in beiden Fällen, fraglich bleiben muss.
41 Z. B. Schmitt, J.-C.: Svět středověkých gest, Praha 2004, S. 117.
42 Wilson, Taf. 12. Zwei Boten Wilhelms mit wunderschön bemalten Schilden reiten hier ‚zurück‘, gegen den Lauf der linearen Zeit, es handelt sich um eine der zwei Stellen, auf denen dies auf der Tapiserie absichtlich dargestellt wird (die andere Stelle ist der Tod und die Bestattung König Edwards). Um gar keine Zweifel zu lassen, wie wichtig die Nachricht war (es ging um Leben oder Tod des beim Grafen Wido gefangenen Herzogs Harold), galoppieren sie so schnell, dass ihre Haare über den glattrasierten Hinterköpfen im Wind wehen, so weit ging der Sinn für eine realitätsnahe Darstellung bei einem gebildeten normannischen Bischof im 11. Jahrhundert. Die Schilde haben sie übrigens dabei nur lässig um die Schulter hängen, was aus der Zeit bekannt und wiederum ein Teil des ‚Realismus‘ des Autors ist – sie sind hier doch nicht in einer Schlacht, sie ‚haben‘s‘ bequem‘.
43 Dieser Aspekt ist äußerst interessant auf der Malerei von Znaim. Was die mögliche symbolische Darstellung der Schilde auf der Tapiserie betrifft, dann wohl in einer einzigen Szene, die aber sofort durch den ‚Realismus‘ der bereits erwähnten ‚westlichen Nüchternheit‘ überdeckt wird – vor der Schlacht bei Hastings stärken sich die Normannen bei einer gemeinsamen Mahlzeit (die sicher rituell ist, denn ihre Darstellung beinhaltet Anspielungen, die manchen Details der Letzten Abendmahl Christi ähneln), die auf ‚Tischen‘ stattfindet, die durch die auf einfache hölzerne Gestelle aufgelegten Schilde gebildet sind, Taf. 47, 48.
44 Insgesamt habe ich auf der Tapiserie 77 Fälle gezählt, bei denen ein Schild eindeutig von seiner Innenseite gezeigt wird.
45 Der so gut wie sicher die Tapiserie nie gesehen hatte, obwohl sie ihm bekannt war, s. auch Bem. 16. Publikationen darüber gab es noch nicht, vom Internet ganz zu schweigen, und um sie im Original in Bayeux ansehen zu dürfen, dazu hätte die sozialistische Tschechoslowakei in den politisch brutalen 50er Jahren die Reise eines Kunsthistorikers nach Frankreich nicht nur bewilligen, sondern sogar ‚im eigenen Interesse‘ anordnen müssen, was in Anbetracht der christlichen Hintergründe des Themas eine geradezu absurde Vorstellung ist – in jeder Ablehnung eines Antrags auf eine Privatreise in das ‚kapitalistische Ausland‘ hiess die Begründung bis 1989, dass es ‚nicht im Interesse der sozialistischen Tschechoslowakei‘ sei, so etwas zu bewilligen…
46 Bild im Anhang, die Malerei von Znaim, auch wegen der vier ikonographisch unterschiedlichen Schilde. Hier zum Vergleich nacheinander schematisch dargestellt, von links: der fünfte Herrscher mit einem zweifarbigen (weiss-roten) Schild mit Rosette, so gut wie sicher Fürst Jaromír, sein Nachfolger mit dem immer im Profil dargestellten Schild mit dem metallenen Mittelstück, ziemlich sicher sein jüngerer Bruder Odalric, der fünfte Nachfolger (mit dem Helm) mit einem gestreiften Schild und sein nachfolgender Nachbar mit einem einfarbigen (roten) Schild mit Rosette. Mehr Arten der Schilde gibt es bei diesen neunzehn Figuren nicht; die ikonographische Zuverlässigkeit ist so gut wie hundertprozentig (bei Trapp gut nachweisbar), s. auch Konečný, (Bem. 2), S. 296-297.
47 Auf der Znaimer Malerei (angedeutet) der fünfte Herrscher, sicher der sechste (s. auch Anhang) und möglicherweise auch der neunte Nachfolger, auf der Tapiserie vielleicht Taf. 13, ganz sicher Taf. 17.
48 LeGoff, J. (ed.): Der Mensch des Mittelalters, Frankfurt am Main 1998, S. 42.
49 Die Ähnlichkeit der beiden Begriffe ist so eindrucksvoll, dass der Autor dieser Zeilen sich bei seinen in seiner Muttersprache gehaltenen Vorträgen zum Thema an dieser Stelle seiner angelernten ‚Vatersprache‘ bedient, denn auf Tschechisch existiert diese Verbindung der beiden Begriffe nicht (mehr?).
50 Dass es sich letztlich im Herbst nächsten Jahres zeigen sollte, dass es wie so oft ‚alles anders wird‘, bleibt für unser wunderbares Rätsel der Znaimer Malerei irrelevant, denn in die Zukunft zu blicken ist uns Sterblichen nie gestattet. Břetislav wurde im September 1092 als der Älteste der jungen Nachfolger tatsächlich zum Herrscher über Böhmen und Mähren und brach damit (mit kräftiger Hilfe des Bischofs Kosmas?) den gemalten Willen seines Vaters, was die Anderen (damals) akzeptierten, aber dass ein schlechtes Beispiel gute Sitten verdirbt, bewies er eindrucksvoll 1099 in Regensburg, wo er mit Hilfe Kaisers Heinrich seinen jüngeren Bruder Bořivoj rechtswidrig zum Nachfolger bestimmen ließ. Und dies wurde nach seinem (gewaltsamen!) Tod ein Jahr später zum Ausgang von Kriegen zwischen den Vettern, die dann ein ganzes Vierteljahrhundert gedauert hatten…
51 Konečný, (Bem. 2), S. 310.
52 Was allerdings alleine nicht zu einer restlosen Identifikation führen kann, weil der Bericht von Kosmas in diesem Aspekt unvollständig ist. Es ist bekannt, dass das Alter der fünf Königssöhne (in der Reihenfolge) Břetislav, Boleslav, Bořivoj, Vladislav und Soběslav lautete, von den beiden Söhnen Konrads Odalric älter als Luitold und den Söhnen des bereits verstorbenen Otto von Olmütz Svatopluk älter als Otto Junior war, den Kosmas zu der Zeit Otík nennt. Nicht bekannt ist, wie das absolute Alter der einzelnen Nachfolger war, was allerdings nicht ausschließt, dass es (mit der Ausnahme des bestraften Břetislav) der Malerei entspricht.
53 Der nach Kosmas am 11. August 1091(!) ‚von einem vorzeitigen Tod hinweggerafft wurde‘ – wie uns die am Horizont bereits sichtbaren Bruderkriege ihre verhängnisvollen Schatten entgegenwerfen! Zudem spürt man hier ein ewiges Merkmal der menschlichen Psyche, der Einfluss der Ehefrau auf ihren Gatten, eine wahre anthropologische Konstante der menschlichen Geschichte. Boleslav war zwar der zweitgeborene (noch lebende) Sohn seines Vaters, gleichzeitig aber der Erstgeborene seiner Mutter Svatava von Polen, während der ältere Břetislav (Sohn der Königstochter von Ungarn Adelheid) ein Halbwaise seit etwa seinem zweitem Lebensjahr war.
54 Schwer zu sagen, woher die abwegige Vorstellung den Weg in die tschechische Geschichte fand, dass er 1091 ein Kleinkind gewesen sei. Obwohl ikonographisch selbst das vollkommen gleichgültig wäre, kann es den Tatsachen schon deswegen nicht entsprechen, weil seine Mutter Svatava damals gut fünfzig Jahre alt war, befand sich also längst in der Menopause, die im Mittelalter gewöhnlich viel früher eintrat, als heute (mit etwa 45-47 Jahren) üblich. Soběslav dürfte damals fünfzehn oder sechzehn gewesen sein, wäre dann (1140) mit fünfundsechzig gestorben, was durchaus möglich ist.
55 Hier würden die klassischen Historiker Einwände anmelden, weil sie wissen, wann die Heirat Ottos des Schönen von Olmütz mit der ungarischen Prinzessin Eufemia stattfand. Auch deshalb ist Svatopluk im letzten Werk (Konečný, (Bem. 2), S. 313) als siebter aufgeführt, was die Schilde allerdings ausschließen. Es tut mir leid, aber die Psychologie ist ebenfalls eine ernstzunehmende Wissenschaft, die ihre Regeln und Gesetze hat, die von allen zu respektieren sind –es gibt bloß eine menschliche Logik. Mit der Erfahrung eines seit Jahrzehnten tätigen Rätsellösers muss ich darauf bestehen, dass die logische Aussage der Malerei – was auch die schriftlich festgehaltenen späteren Ereignisse der Jahre 1105-1109 bestätigen, das empfehle ich nicht zu vergessen! – Svatopluk eindeutig für älter hält, als es die heutige Historiographie annimmt. Als eine mögliche (und auch logische) Erklärung könnte hier angeführt werden, dass er nicht unbedingt Sohn Eufemias sein musste, sondern ihrer (uns heute nicht mehr bekannten) Vorgängerin, am ehesten aus einem heimischen mährischen Geschlecht stammend, wie davon sehr eindrucksvoll sein Name zeugt. Es wäre dem Schicksal seines Bruders Vratislav ähnlich, von dem wir wissen, dass er als Regent von Olmütz eine Einheimische heiratete (1055) und dann ein junger Witwer wurde, weil seine Ehefrau nach einem Monat einer (wohl) widerlichen Gefangenschaft infolge einer Frühgeburt starb. Sonst hätte der spätere König Vratislav einen noch deutlich älteren Erstgeborenen, als es der (etwa 1060 geborene) Břetislav war – was in dieser Generation sehr wichtig war – vielleicht sogar einen noch älteren, als es der einzige Sohn seines Bruders Spytihněv Svatobor, der spätere Erzbischof von Aquilea Friedrich, war.
56 Beiseite musste ich viele weitere interessante Details lassen, wie etwa Szenen des tagtäglichen Lebens mit Pflügen und Ackerglätten; die Darstellung einer Ackerglätte ist übrigens der älteste Beweis ihrer Existenz in der europäischen Geschichte. Hochinteressant sind allerdings die unglaublichen nackten Pärchen, manche davon eindeutig knapp vor dem Koitus (Taf. 52, 53 und vor allem 14), womit die Kunsthistoriker heute noch ihre erhebliche Mühe haben. Den zaghaften Interprätationsversuchen, hier die Darstellung der Geschichten Äsops zu sehen (die es zwar auf der Bordüre durchaus gibt, nicht aber in diesem Fall), schenkt Wilson keinen Glauben, ohne allerdings selbst eine mögliche Erklärung anzubieten. Meiner Meinung nach handelt es sich ziemlich sicher um die Frühlingsrituale der Fruchtbarkeit (deshalb sind sie auch in Verbindung mit Pflügen dargestellt), die offensichtlich in England der Hälfte des 11. Jahrhunderts noch lebendig waren, obwohl es eine uralte, zutiefst heidnische Sitte ist. Und eingestickt auf der Bordüre der Tapiserie von Bayeux sind sie aus demselben Grund; ihr Autor Bischof Odo war bei seiner Konfrontation mit diesen Sitten so überrascht und (wohl) auch missgelaunt, wie manche (zarte) Zeitgenossen heute noch. Auch das ist eine anthropologische Konstante unserer Psyche, dass unser Gedächtnis die überraschenden, nicht alltäglichen, ja schockierenden Ereignisse ganz automatisch viel besser ‚speichert‘, als die üblichen und langweiligen. Und es ist vielleicht merkwürdig, gleichzeitig aber sehr nützlich sich bewusst zu sein, dass ein gebildeter normannischer Bischof des 11. Jahrhunderts in diesem Aspekt seiner Mentalität trotz des gewaltigen ‚Fortschritts‘ der Wissenschaft und Technik der letzten Jahrhunderte uns, den heutigen Menschen des 21. Jahrhunderts, viel näher stand, als den primitiven angelsächsichen Bauern seiner Zeit, seinen eigenen Zeitgenossen.
57 Wenn wir so etwas politisch Unkorrektes gelten lassen, wie es die ‚Nationalmentalität‘ nur sein kann. Auf der anderen Seite aber ist wohl kaum jemand so sensibilisiert, diese Unterschiede wahrzunehmen und zu hinterfragen, als derjenige, der die Hälfte seines bisherigen Lebens in der Fremde verbracht hat.
58 Konečný, (Bem. 2), S. 405. Nicht nur auf der Ebene der vornehmsten Auftraggeber der Malerei (die Fürstin von Olmütz Eufemia war dem herrschenden Königsgeschlecht Ungarns abstammend), sondern auch von den geistigen Kontakten her – der erste Bischof der neuen Diözese in Zagreb wurde dorthin (im Jahre 1091!) aus dem slawischen Kloster Sázava von Abt Božetěch geschickt.
59 Indirekt lässt sich aus mindestens zwei Andeutungen belegen, dass der Chronist Kosmas von Prag die Malerei in Znaim sehr wohl kannte, obwohl er sie nie explizit erwähnt – dieser Meister im Andeuten und Großmeister im Verschweigen. Die deutlichere davon ist seine Bemerkung über den Stern im Kreise der Fürsten, die er zur Bezeichnung unseres Mannes mit dem Helm, des künftig herrschenden Fürsten Břetislav II., zum Jahre 1108 dessen Vetter Svatopluk in den Mund legt. Der Stern entspricht wohl seiner persönlichen Zuneigung und Bewunderung für diesen Herrscher (der schon längst tot war, als Kosmas an seiner Chronik schrieb), der Kreis der Fürsten aber kann wohl keine andere Erklärung haben, als die wundersame Malerei von Znaim…